- 16 -

Ob an allen diesen Tagen, insbesondere seit 550, wirklich irgendwo Ostern gefeiert wurde, ist zweifelhaft, wenigstens fehlen uns für viele Daten die historischen Nachweise, wie wir überhaupt über die wirklich gefeierten Osterfeste schlecht unterrichtet sind. Die bei E. Schwartz für die Zeit von 298 bis 465 gegebenen Daten weichen öfters von denen bei Krusch verzeichneten ab; die Abweichungen sind in der vorstehenden Tabelle in runden Klammern beigefügt; die Zahl II vor einem Datum bedeutet, dass die Abweichung nur für die zweite Zehnerreihe (382-462) gilt.

Zunächst wurde diese Berechnung in den meisten Diözesen Italiens gebraucht bis zu ihrer allmählichen Verdrängung durch die viktorische und alexandrinisch - dionysische Methode. In Spanien drang schon frühe, nämlich bereits seit Ende des 6. Jahrhunderts, der alexandrinische Cyklus ein. An dem 84jährigen Osterkanon hielten am längsten fest die grössten Teile der Gallier, der Briten, Angelsachsen und Iren. Selbst nachdem die Gallier und Angelsachsen die inzwischen in Rom beliebt gewordene viktorische und dann die dionysische Bestimmungsart, angenommen hatten, benutzten die Iren, Briten und Pikten die Osterdaten des alten Cyklus weiter. Insbesondere waren sie an die Art desselben, die in Rom bis zum Jahre 342 bestanden hatte, so gewöhnt, dass sie nur schwer davon abzubringen waren; hiernach feierten sie das Osterfest in dem engeren Zeitraum vom 25. März bis 21. April. Ein interessanter Beleg hierfür ist der heftige Osterstreit des Kolumban, eines irischen Missionars in Gallien († 615 im Kloster Bobbio), mit den gallischen Bischöfen: diese befolgten damals den viktorischen Kanon, Kolumban hielt sich an die Observanz seiner irischen Heimat. Indes in der zweiton Hälfte des 7. und im Anfang des 8. Jahrhunderts opferten auch die Iren und Pikten ihren Osterkanon der alexandrinischen Berechnung; aber die Briten konnten sich auch jetzt noch nicht dazu entschliessen. Doch infolge der Bemühungen eines angesehenen "Gottesmannes", des Bischofs Elbod von Bangor, ward um das Jahr 770 der alte und ungenaue Cyklus im nördlichen Wales und einige Jahre später auch in Süd-Wales abgeschafft; einzelne Spuren desselben finden sich indes daselbst noch in dem ersten Viertel des 9. Jahrhunderts.

Somit siegte, wie unser kurzer Überblick zeigt, in dem mehr als 4½ Jahrhunderte dauernden Kampf schrittweise die aus Ägypten stammende Bestimmungsmethode, einzig deshalb, weil sie infolge einer für die damalige Zeit genauen Beachtung der Bewegungszeiten des Mondes und der Erde die relativ genauesten Daten ergibt. In Alexandrien hatte man schon frühe, ohne Zweifel mit Anlehnung an die jüdische Art, eine Berechnungsweise ersonnen, die einen auf der Beobachtung des Atheners Meton (432 vor Chr.) beruhenden 19jährigen Mondcyklus, wonach 19 Sonnenjahre = 235 Mondmonaten sind, zur Grundlage machte. Für die christliche Osterfixierung wurde sie nachweislich zuerst in ein bestimmtes System gebracht vom hl. Anatolius, Bischof von Laodicäa (um 260-282), der ein geborener Alexandriner und angesehener Mathematiker war, in seinem Werke Κανονες περι του Πασχα[1]


1 Sein Cyklus begann aller Wahrscheinlichkeit nach mit einem Jahre, das dem 12. Jahre der später gebräuchlichen Cykluszählung identisch ist, und umfasste die Jahre 258 - 352 (s. Schwartz S. 16). Damit stimmt seine Ansetzung des Vollmondes für das erste Jahr seiner Reihe auf den 4. April. Einige Fragmente seines Werkes sind erhalten bei Eusebius, Kirchengeschichte VII 32, 14 ff.