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Aber auch diese Einigung hielt nicht lange stand; Ostern wurde an verschiedenen Tagen gefeiert in den Jahren 350, 357, 360, 387 usw.[1] Allmählich traten nämlich Selbständigkeitsgelüste der alexandrinischen Patriarchen stark zu Tage und machten eine weitere Verständigung in der Osterberechnung unmöglich, besonders nachdem die Teilung des römischen Reiches (395) das die abend- und morgenländische Kirche zusammenhaltende Band stark gelockert hatte.

Die Alexandriner behaupteten unter unzutreffender Bezugnahme auf das nicänische Konzil, dass ihre Osterdaten für die ganze Christenheit massgebend seien, während Rom trotz seiner häufigen Nachgiebigkeit dies niemals anerkannte. Es war nämlich in jenen Zeiten der Unbestimmtheit und des Entstehens des kirchlichen Ritus in den Augen der grossen Christengemeinde die Ansetzung des Ostertermins ein Symbol der obersten Kirchengewalt. Wer den Ostertermin vorschrieb, der galt den Gläubigen als Inhaber dieser Gewalt, als das Haupt der Kirche. Demnach war diese Osterfrage nicht bloss ein chronologisches Problem, sondern zum Teil auch eine hierarchische Machtfrage. Teilweise erklärt sich hieraus die lange Dauer dieser Art des Osterstreites, der die Christenheit für lange Zeit in zwei Heerlager trennte.

Im Abendlande behauptete am längsten der in Italien erdachte und mit der Zeit öfters veränderte 84jährige Cyklus sein Dasein. Er ist durch drei Eigentümlichkeiten beachtenswert: 1. dadurch, dass der Mondsprung (darüber siehe später!) sechsmal entweder anfänglich nach je 14 Jahren oder später nach je 12 Jahren erfolgt, so dass er im letzteren Falle am Ende des Cyklus nicht vorkommt; 2. dadurch, dass sich das Osterfest in der älteren Zeit zwischen dem 25. März und 21. April, später zwischen dem 22. März und 21. April, die Endtermine mitgezählt, bewegt, und 3. dadurch, dass nach je 84 Jahren dieselbe Reihenfolge der Osterdaten wiederkehrt. Da er wegen der Leichtigkeit der Handhabung für die meisten Gebiete des Abendlandes massgebend war, so folge hier eine Übersicht seiner Osterdaten für die Zeit von 298 - 471 und 550 - 723[2] (Die Zahlen 22 - 31 bedeuten Tage des März, 1 - 21 Tage des April):

Jahreszahl 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9
298 382 550 634 17 2(9) 21 (24) 13 5 38 9 1 14 (21) 6
308 392 560 644 28 17 2 25 13 29 (II 5) 18 10 25(II1) 14
318 402 570 654 6 29 10 2 25 7(II14) 29 18 3(II10) 26
328 412 580 664 14 6 19(II22) 11 2 15(II25) 7 30 18 3
338 422 590 674 26 15 30 19 11 27(3) 15 7 20 (30) 12
348 432 600 684 3 26 8(15) 31 19 4(11) 27 16 7 20 (30)
358 442 610 694 12 24(4) 16 8 31 13 (20) 4 27 16 1
368 452 620 704 20 12 28 17 8 21 (24) 13 5 27 9(16)
378 462 630 714 1 21 5(12) 28 17 2(9) 21 (24) 13 5 18

1 Eine kritisch genaue Zusammenstellung der Jahre, in denen Ostern tatsächlich an verschiedenen Daten gefeiert wurde, gibt es noch nicht.
2 Nach Krusch, Einführung des Paschalritus S. 167 ff.; Grotefend, Taschenbuch S. 158; Schwartz a. a. 0. S. 46 ff. Andere Tabellen bei Krusch, Studien S. 17, 62, 121 und 184.