[517]Die Polemik über die Gregorianische Kalenderreform.35

Hier zeige sich so recht die Wahrheit der früheren Behauptung, dass es dem Papste nur um das Brevier und Missal und um seine Herrschaft, nicht aber um die allgemeine Wohlfahrt zu tun sei. Müssen nun wirklich Tage ausgelassen werden, so möge man doch bis 1600 warten, denn bis dahin könne Nutzen und Bedeutung der Reform der heranwachsenden Generation deutlich gemacht werden, während die alten Leute, die sich schwer in neue Verhältnisse fügen können, größtenteils abgestorben sein werden; auch könnten die Astronomen bis dahin der Änderung in ihren Tafeln Rechnung tragen, zumal da mit 1600 die meisten Ephemeriden ablaufen. In Bezug auf den Epaktenzyklus muss Maestlin eingestehen, dass sein Autor "viele subtile Kunst" angewendet habe. Ob dies aber nützlich und notwendig sei, möge man daraus entnehmen, dass diese Subtilitäten meist ihren Nutzen viele hundert Jahre nach dem jüngsten Tage haben werden. Maestlin fragt, ob also Gott, die Engel und wir in der ewigen Herrlichkeit auch diesen Kalender werden gebrauchen müssen? Überhaupt fällt es ihm auf, dass in den Schriftstücken des Papstes niemals vom jüngsten Tage die Rede ist, und er meint daraus und aus dem Ausdruck "Kalendarium perpetuum" den Schluss ziehen zu dürfen, dass der Papst und seine Anhänger überhaupt an den jüngsten Tag nicht glauben. Aber abgesehen von allem dem fragt es sich, ob denn diese subtilen Rechnungen mit dem astronomischen Kalkül stimmen, oder ob trotz derselben Fehler unterlaufen können. Da macht sich nun der zweite prinzipielle Gegensatz bemerkbar: denn sobald Maestlin diese Frage beantworten will, muss er der astronomischen Zeitrechnung das Wort gegenüber der zyklischen reden. Indem es Maestlin gelingt, an bestimmten Fällen eine Differenz zwischen beiden Rechnungen nachzuweisen, fragt er, was es denn für einen Sinn hat, astronomische Subtilitäten in den Kalender hineinzubringen, wenn man auf der anderen Seite doch eingestehen muss, dass dieselben nur manchmal, aber nicht immer richtig sind. Auch findet es Maestlin merkwürdig, dass man nicht die zu Grunde gelegten Tafeln namentlich angeführt habe; auf jeden Fall müsse mit der Annahme des Kalenders gewartet werden, bis darüber von Rom Aufklärung gegeben worden sei; denn wenn die bisher aufgestellten dabei benützt wurden,