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Im Besonderen tadelt Maestlin, dass Gregor dabei auf die Evangelischen keine Rücksicht genommen habe und hebt im Gegensatze hierzu das Vorgehen Leo X. rühmend hervor, der von allen Universitäten Gutachten eingefordert und außerdem die Hilfe der weltlichen Macht von Anbeginn an in Anspruch genommen habe. [1] Maestlin macht ferner darauf aufmerksam, dass der Papst zu Augsburg den versammelten Ständen seinen Plan verschwiegen habe, ferner dass er ohne über das Reformwerk eine ausführliche Begründung zu geben, die Haltung des neuen Kalenders anbefehle, und zwar binnen sehr kurzgestellter Fristen. Maestlin glaubt den Grund zu diesem Vorgehen darin suchen zu müssen, dass der Papst eine gründliche Prüfung seines Werkes durch Gelehrte scheute und andererseits der Meinung war, dass nach Annahme des Kalenders auch im Falle, dass die Fehler desselben erkannt würden, derselbe doch von Niemand mehr abgestellt werden würde. Der Papst habe die Evangelischen von Anfang an ignoriert, aber er wusste recht gut, dass, wenn die Katholiken den Kalender annehmen werden, entweder die Protestanten ihnen nachfolgen und damit selbst ihre evangelische Freiheit schädigen müssten, oder dass in Folge der Weigerung derselben steter Hader zwischen den beiden Religionsparteien in Deutschland entstehen werde, was ja auch für die geheimen Pläne des Papsttums recht gut passt. Im dritten Teile geht nun Maestlin auf eine sachliche Kritik des neuen Kalenders ein, für den Fall, dass wirklich so allgemein, wie behauptet wird, eine Reform des alten gewünscht werde. Hiebei machen sich mehrere prinzipielle Gegensätze zu demselben bemerkbar. Der eine betrifft die Frage des Osterfestes, die ja den Angelpunkt des alten und neuen Kalenders bildet. Maestlin ist offenbar durch Luthers Schrift, Von den Konzilien [2] beeinflusst, wenn er für die Fixierung des Osterfestes an einem bestimmten Tage plädiert; er geht aber noch einen Schritt weiter, wenn er den Satz aufstellt, die kirchlichen Gebräuche müssen sich nach den Einrichtungen des bürgerlichen Jahres richten und nicht umgekehrt. Soll das Sonnenjahr wirklich korrigiert werden, so hat es keinen Sinn, den Stand des Nizänischen Konzils herzustellen, denn Christus gelte doch mehr als dasselbe.


1 Leo X. brachte die Kalenderreform auf dem Lateranensischen Konzil zur Verhandlung, und forderte durch Kaiser Maximilian Gutachten von den deutschen Universitäten. (Vgl. die Vorgeschichte der Gregorianischen Kalenderreform p. 386 u. ff.)
2 Lutheri Opera edd. Walch. Th. XII. p. 2676 u. ff.