[491]Die Polemik über die Gregorianische Kalenderreform.9

so bleibt es bei ihm dagegen eine völlig offene Frage, ob die 10 Tage auf einmal oder innerhalb 40 Jahre durch Sistierung der Schaltungen auszulassen seien; für beide Eventualitäten sind die Änderungen im achtundzwanzigjährigen Sonnenzyklus angegeben. In dieser Form, also auch noch in der unentschiedenen, wurde es nun in einem Auszuge zur Begutachtung versandt, "weil der Papst eine gemeinsame Angelegenheit auch mit allgemeiner Zustimmung durchführen wollte". Natürlich gehörten die Ketzer nicht dazu, denn zum eigenen Schaden kehrte man in Rom von Anfang an allzu sehr den kirchlichen Charakter der Reform hervor. Auffallend ist, dass der eingelaufenen Gutachten später mit keinem Worte erwähnt wird; dass welche einliefen, berichtet Ranke ausdrücklich, und wir sind in der glücklichen Lage, wenigstens eines besprechen zu können — das der Universität Wien.

Die Aufforderung zur Begutachtung des Kompendiums hatte die Wiener Universität nicht direkt von Rom aus sondern durch den Kaiser zugeschickt erhalten, der ihr mittelst Dekret auftrug, das Kompendium durch Dr. Paulus Fabricius, Professor der Mathematik, prüfen zu lassen und dessen Arbeit samt eigenem Gutachten an ihn zu überschicken. Auffallend rasch entledigte sich die Universität dieser Aufgabe, denn schon am 26. Juli 1578 konnte der Rektor Dr. theol. Petrus Muchitsch die beiden verlangten Stücke dem Kaiser übermitteln. [1] Es kann daher nicht Wunder nehmen, dass beide nicht sehr ausführlich geworden sind. Immerhin aber berührt das "Judicium" des Fabricius alle bei der Reform in Frage kommenden Punkte und der Autor hatte selbst Zeit, in einer ziemlich langatmigen Einleitung das Wesen der Zeitrechnung und die bisher gebrauchten Formen derselben auseinander zu setzen, worauf er mit einer Lobpreisung Gregor XIII., dem unsterblicher Ruhm erblühen werde, zum sachlichen Teil übergeht. So sehr nun auch der Verfasser bei jeder Gelegenheit die Vortrefflichkeit des Lilioschen Werkes betont,


1 Die beiden Schriftstücke finden sich in dem Actenfascikel "Reichssachen in specie" 39 5⁄6 im geh. Hans-, Hof- und Staatsarchive zu Wien, welcher die gesamte vom Kaiser geführte Korrespondenz über die Kalenderfrage enthält. Sämtliche in der Folge zitierten Aktenstücke sind — wenn nicht ausdrücklich ein anderer Fundort angegeben ist — demselben entnommen.