[581]Die Polemik über die Gregorianische Kalenderreform.99

von nun an nach dem Nicaenischen Kanon gefeiert und den Astronomen der Auftrag erteilt werden sollte, die Ostertage gemäß diesem, jedoch mit Zuhilfenahme des astronomischen Kalküls zu bestimmen. Welche Stellung nimmt nun der im Mathematiker vertretene Kepler ein? Er verkennt natürlich nicht im mindesten die Fehler, welche der Reform anhaften, aber er meint doch, dass man mit ihr ganz zufrieden sein könne. Besonders hebt er hervor, dass die Dauer des tropischen Jahres richtig angegeben werde, dies haben die neueren Untersuchungen Tycho de Brahes gelehrt, der aus diesem Grunde auch die Reform gutgeheißen hat, wenn er auch damit nicht sagen wollte, dass alles übrige völlig fehlerfrei sei. Interessanter ist, dass Kepler durchführt, dass die Mathematiker überhaupt nichts mit dem ganzen Streite zu tun haben. Wenn es den Theologen gelüste, Unfriede und Zwietracht zu stiften, so mögen sie dies allein ausfechten, aber die Mathematiker damit verschonen. Denn ihr Studium sei frei von Parteileidenschaft, nur der Wahrheit und dem Wohle der Menschheit gewidmet. Indem sich Kepler durch die ändern einwerfen lässt, dass ja gerade die Mathematiker den Streit begonnen und stets darin mitgesprochen hätten, erklärt er, dass er mit einem Mathematiker, der mit theologischen und politischen Argumenten hantiert, und der sich von der Obrigkeit seine Meinung vorschreiben lässt, nichts zu schaffen haben wolle, denn nur derjenige gehöre für ihn zu seinen Wissenschafts-Genossen, der einzig und allein mit Gründen der Mathematik streitet und begründet. Von diesem bitteren Vorwurfe spricht Kepler selbst Clavius, ja selbst seinen Lehrer Maestlin nicht frei. Vor der Kalenderreform war dies eine andere Sache, damals traten Mathematiker auf und bewiesen, dass der Kalender wirklich ihrer Wissenschaft Hohn sprechende Einrichtungen zeige, und mit vollem Rechte verlangten sie deren Beseitigung. Diese sind nun entfernt worden, und der neue Kalender hat weit geringere und durchaus keine Anstoß erregenden Fehler mehr. Daher ist jetzt in der Tat die mathematische Verbesserung überflüssig geworden, und daher sollen die Vertreter dieser Wissenschaft dem Streite fern bleiben; denn es gezieme ihnen nicht, der Kirche und dem Staate Gesetze vorzuschreiben, indem sie das kirchliche und bürgerliche Jahr genau an den Lauf der Gestirne binden wollen.