[569]Die Polemik über die Gregorianische Kalenderreform.87

Die Kurie hatte bisher noch nicht gesprochen — jene zwei Arbeiten des Clavius waren privater Natur; und so ist das Erscheinen des großen Werkes des Clavius doch zu rechtfertigen und zu erklären. Im Auftrage des Papstes, mit dem Erscheinen einer neuen Kundgebung desselben tritt nun Clavius hervor, antwortet auf alle sachlichen Einwürfe, und gibt eine minutiöse Darlegung aller nur denkbaren Verhältnisse des Kalenders.

Diesem allgemeinen Charakter des Werkes entspricht auch die ganze Anlage; an die Spitze werden die in Frage kommenden Dinge — Lilios Kompendium, die Bulle "Inter Gravissimas" und die Canones in Kalendarium Romanum gestellt. Wie verhält es sich aber mit dem Inhalt? Wir haben gesehen, dass sowohl der Angriff Maestlins, als die Entgegnung des Clavius die ganze Kalenderfrage umfasst, in folge dessen konnte Clavius hier nicht viel Neues bringen. Immerhin aber treten dem Clavius hier, wo es sich um eine allgemeine Darlegung handelt, und wo er die Absicht hat, alle gegnerischen Einwürfe zu bekämpfen, manche Fragen entgegen, die er in der Apologie nicht zu berühren Gelegenheit hatte; der von Luther ausgesprochene Wunsch, es möge das "Schuckeln des Osterfestes" beseitigt werden, wurde, wie wir gesehen haben, mehrmals in der Polemik aufgegriffen. Clavius gesteht der Kirche das Recht zu, Ostern zu einem unbeweglichen Feste zu erklären, aber wegen der tiefen symbolischen Bedeutung, die ihm innewohne, habe man die alte Osterregel beibehalten. [1] Ferner haben wir mehrmals dem Einwurf begegnet, warum denn der Stand des Nicaenischen Konzils und nicht der Christi wiederhergestellt worden sei? Vom kirchlichen Standpunkte wird man dem Clavius nicht Unrecht geben können, wenn er betont, dass es der Würde der Kirche angemessen sei, an den Beschlüssen eines so wichtigen und angesehenen Konzils nichts zu ändern; auch den praktischen Gesichtspunkt, dass im entgegengesetzten Falle alle Breviere und Missale völlig unbrauchbar geworden wären, kann man gelten lassen;


1 Clavius beruft sich hiebei auf Augustinus, der dem Januarius gegenüber die Symbolik der Osterfeier weitläufig auseinander setzte. (Epist. 55 ad Januarium Lib. II.)