[537]Die Polemik über die Gregorianische Kalenderreform.55

So ließ der Wormser Rat die Publikation des Kalenders, welche der Bischof gemäß des kaiserlichen Rundschreibens im Oktober 1583 an die Kirchentüren hatte schlagen lassen, durch die Stadtknechte herunterreißen und zwang den Klerus, auch fortan den alten Kalender zu benützen, und ähnliches geschah in Hagenau und Lindau. Erst allmählich nach Beilegung all dieser lokalen Streitigkeiten kommt es dahin, dass man die Benützung des einen oder ändern Kalenders nach Territorien scheiden kann. Die vorausgehende Darstellung hat es gezeigt, dass bis zu diesem Zeitpunkte wesentlich nur auf theologisch-politischem Gebiete gekämpft wurde. Wir haben erst einen Mann — Michael Maestlin — mathematische Gründe ins Feld führen sehen, aber auch der hat durch seine früheren Auseinandersetzungen die Leser derart eingenommen, und hat auch die mathematischen Teile seiner Schrift mit solchen Ausfällen auf den Papst gewürzt, dass von einer einigermaßen unparteiischen Beurteilung nicht die Rede sein kann. Indem wir jetzt die Angriffe der Mathematiker vorführen werden, so wird zu Anfang uns auch noch dies entgegentreten, und erst im zweiten Teile dieses Kapitels werden wir auf rein sachliche Kritik stoßen.

Der erste derartige Angriff ging von dem Zwickauer Astronomen Tobias Müller aus in einem 1583 zu Mainz und dann im Heidelberger Sammelbande gedruckten Buche. Ganz eigentümliche Motive leiteten den Mann bei Abfassung desselben, unter welche gekränkte Eitelkeit jedenfalls gehört. Denn Müller hatte dem 1582 zu Augsburg versammelten Reichstage eine Bittschrift eingereicht, den Kalender zu reformieren, wofür er die beste Lösung gefunden zu haben meinte. Er bittet seinen Reformvorschlag durch eine Kommission von Gelehrten prüfen zu lassen und im Falle der Gutheißung ihm die Kosten, die er nur auf 30.000 Gulden anschlägt, zu ersetzen. [1] Es war darauf keine Erledigung erfolgt und aller Orten machte sich jetzt der päpstliche Kalender breit. Da ergriff er wieder die Feder, um die schönen Künste und die liebliche Astronomie vor gänzlichem Untergang zu erretten,


1 Mainzer Erzkanzler-Archiv. Reichstagsacten 1582. Tom. I. Supplicationum pag. 389.