[521]Die Polemik über die Gregorianische Kalenderreform.39

Sachlicher und in anständigerem Tone gehalten sind zwei "Gutachten", die sich ebenfalls im Heidelberger Sammelbande finden. Das eine [1] ist verfasst auf der Pfalzgräflichen Schule zu Neustadt a. d. Hardt und für den Pfalzgrafen bei Rhein bestimmt. Schon dadurch unterscheidet sich der Verfasser von seinen eben besprochenen Kollegen, dass er die dringende Notwendigkeit einer Reform anerkennt, und geradezu den Einwand, dieselbe sei wegen des herannahenden Weltunterganges überflüssig, bekämpft. Auch er ist von Luther beeinflusst und wünscht ein stabiles Osterfest; außer den von Luther angeführten Gründen, weiß er aber noch andere für ein solches anzugeben. Da einerseits durch zyklische Rechnung niemals vollständig richtige Ostertage erzielt werden können, andererseits die astronomische Rechnung wegen der Verschiedenheit der Ortslagen undurchführbar sei, so wäre es eben das beste und vernünftigste, irgend einen Sonntag für den Ostertag auszuwählen. Den Einwand, dass dadurch wegen einer Sonnenfinsternis am Ostertage der Kirche von Seite der Juden Spott erwachsen könnte, löst der Verfasser auf sehr vernünftige Weise, indem er daran erinnert, dass ja die christliche Kirche ihren Gottesdienst am Sonntag feiere, trotzdem Christus ihn am Sabbat gehalten hat; weicht man in diesem und manchem ändern von den Gebräuchen der ältesten Kirche ab, so hat es keinen Sinn an anderen so ängstlich festzuhalten. Bezüglich der Frage, ob die protestantischen Fürsten den Kalender annehmen sollen, meint er, es komme alles auf ein Übereinkommen an; er hofft, dass die Katholiken nicht übereilt und ohne Rücksicht auf ihre Mitstände handeln werden, dass sie mehr der Wohlfahrt ihrer Nation als des Gehorsams gegen den Papst eingedenk sein werden, und in Übereinstimmung mit den Protestanten gemeinsam und zugleich den Kalender annehmen, oder denselben in bequemerer Weise, als es vom Papste geschehen sei, reformieren werden.


1 Heidelberger Sammelband II. Zuerst gedruckt, in der fürstlichen Pfalz zu Neustadt durch Mathias Harnisch. 1583.