[515]Die Polemik über die Gregorianische Kalenderreform.33

denn man habe sich bisher ganz gut mit dem fehlerhaften Kalender beholfen, durch einen neuen könne höchstens Zwietracht entstehen. Für den Gottesdienst aber habe überhaupt die Zeitrechnung keine Bedeutung, denn die Osterregel sei kein Glaubensartikel und die unbeweglichen Feste stehen in keinem Zusammenhang mit den Erscheinungen des Sonnenjahres, in die man sie in den ersten christlichen Zeiten gebracht hat. Alle diese Bedenken aber werden dadurch erhöht, dass es sich gar nicht mehr lohnt, für die kurze Zeit, welche die Welt noch bestehen wird, Unordnung und Zerrüttung durch Änderung der Zeitrechnung herbeizuführen; denn sicher rücke das Ende der Welt nahe heran. [1] Die Tendenz der Schrift, welche schon in diesem Abschnitte hervorleuchtet, zeigt sich nun deutlich im zweiten Teile, in welchem Maestlin untersucht, was denn von der Reform Gregor XIII. zu halten sei. Er spricht dem Papste das Recht zur Reform direkt ab, und übt an dem Vorgehen Gregors die härteste Kritik. Die Kalenderreform sei kein politisch, sondern ein kirchlich Ding; wenigstens fasse man sie in Rom so auf; dies zeige die fortwährende Berufung auf das Konzil von Nizäa und die Worte des Papstes in der Bulle "Inter Gravissimas". Es gilt daher für die Protestanten ihre evangelische Freiheit, die ihnen durch geheiligte Verträge gewährleistet ist, zu wahren; denn indem der Papst den neuen Kalender "mandire", greife er ein in das kirchliche und politische Leben der Nation.


1 Der Glaube an den nahen Weltuntergang spukte in der Reformationszeit gewaltig. Nachdem der von Joh. Stöffler aus astrologischen Gründen vorhergesagte Weltkrach im Jahre 1521 nicht eingetreten war, (vgl.Vorgesch. d. Greg. Kal.-Ref., p. 390)übernahmen die Historiker das Geschäft der Unglücksraben. Sleidanus (De quatuor summis imperiis libri tres Lib. III.) und Melanchton-Peucer (Chronicon Carionis. Ep. dedicat.) benützten die Prophetien Daniels für ihre geschichtsphilosophischen Drechselelen, indem sie die Weltgeschichte in "periodi universales" zu je 500 Jahren (70 prophetische Wochen. 1 Wochentag = 1 gemeinen Jahr) teilten. Ging die Rechnung nicht zusammen, so musste der Zorn Gottes über das sündige Treiben der Menschen die Periode abkürzen. Wenn nun gar der Antichrist dazukam, der ja zweifellos in Rom sein Unwesen trieb, so war der Weltuntergang jetzt, wo wieder eine solche Periode im Ablaufen war, ganz sicher zu erwarten.