28Kaltenbrunner.[510]

Es wurde auch die Frage aufgeworfen, ob nicht das Ausschreiben in doppelter Weise vorgenommen werden sollte, für die katholischen Stände in Mandaten mit Anführung des päpstlichen Willens, für die evangelischen in literae clausae ohne diese Beigabe. Viehäuser bespricht in seinem Gutachten ausführlich diesen Punkt und meint, es solle durchweg die Publikation in literae clausae ohne Nennung des päpstlichen Namens geschehen. Denn für den Fall mancher Weigerung würde so der kaiserlichen Reputation weniger geschadet, und dann besitze ja der Kaiser allen Ständen gegenüber gleiche Autorität, die durch päpstliche Einflussnahme auch gegenüber den katholischen nicht geschädigt werden solle. Viehäusers Ansicht drang auch durch, denn ganz in seinem Sinne wurde das kaiserliche Rundschreiben vom 4. / 14. September abgefasst. Vom Papste ist darin mit keinem Worte die Rede, sondern die Eingangsworte lauten folgendermaßen: "Derwegen denn unlängst nit allein mit unserm vorwissen, sondern auch nit weniger auf etlicher unserer als anderer christlichen Potentaten und Herrschaften fürnemer Mathematicorum vleissiges nachdenken vnd gutachten ein Neues Calendarium verfasset vnd angerichtet ist worden". Und nun wird der Stellung Deutschlands inmitten der anderen Reiche gedacht, aus welcher sich mit Notwendigkeit ergibt, dass es Uniformität in der Zeitrechnung wegen Handel und Verkehr haben müsse. Demgemäss wird auch die kirchliche Seite der Reform — Osterfeier und Heiligenfeste — vollständig außer Acht gelassen; kurz der Wortlaut ist so gehalten, dass auch der vorsichtigste Protestant an ihm keinen Fehl hätte finden können.

Wir sind nun beim entscheidenden Schritte des Kaisers angelangt, aber zugleich auch bei einem Wendepunkt seines Verhaltens. Man wird seinem bisherigen Vorgehen nicht absprechen können, dass es sicher und korrekt gewesen sei, von nun an kann man dies nicht mehr behaupten. Das Rundschreiben gelangte an die Kurfürsten, die vornehmsten geistlichen und weltlichen Grossen und an mehrere Städte zur Versendung, teilweise aber so spät, dass manche es erst nach dem 5. Oktober — dem Termin der Einführung — erhielten. [1]


1 So erhielt selbst Mainz das Rundschreiben so spät, dass dort erst im November der Kalender eingeführt werden konnte.