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Daraus konnte der Papst das ihm passend erscheinende Datum als Ostertag vorschreiben.[1] Dieser Kanon hatte für die Kirche keine bindende Kraft, sondern war nur eine Privatarbeit. Die Kirche wahrte sich ihre Freiheit, indem sie die verschiedenen damals bestehenden Ostertafeln benutzte und aus ihnen den ihr richtig erscheinenden Termin aussuchte. Dabei war sie bemüht, möglichst Übereinstimmung mit den alexandrinischen Daten zu erzielen. Dies Ziel schwebt auch Victorius vor, weshalb er auch den Zeitraum für das Osterfest bis zum 24. April einschliesslich erweiterte.

Wiewohl dem Paschale des Victorius niemals offizielle Anerkennung zu teil ward,[2] so fand es im Abendlande doch sehr grosse Verbreitung, namentlich in Gallien und Spanien. Selbst als in diesem Lande die alexandrinische Regel durchgedrungen war, befolgte doch ein kleiner Teil der Provinz Baetica, die Sekte der Migetianer, die römisch - viktorische Sonderbestimmung, Ostern nie an Luna XV, sondern statt dessen an Luna XXII zu feiern. Diese Sekte erlosch um die Wende des 8. und 9. Jahrhunderts, so dass seit dieser Zeit in ganz Spanien die schon seit dem Ende des 6. Jahrhundorts daselbst aufgenommene alexandrinische Fixierungsweise massgebend ist. In Gallien wurde das Paschale des Victorius schon sehr früh befolgt; das Konzil von Orleans (541) bestimmt in seinem ersten Kanon, dass das Osterfest überall nach der Ostertafel des Victorius gefeiert werden müsse. Hier erhielt es sich auch am längsten. Spuren seines Gebrauches finden sich noch gegen Ende des 8. Jahrhunderts.

Am meisten für die unveränderte Annahme der alexandrinischen Methode im Abendlande arbeitete der gelehrte römische Abt Dionysius Exiguus, dem man auch die heute allgemein gebräuchliche Ära der Menschwerdung Christi verdankt. Man nennt sie daher ihm zu Ehren die dionysische oder die alexandrinisch - dionysische Methode. Fussend auf den Prinzipien seiner Vorgänger, verfasste er im Anschluss an Cyrillus im Jahre 525 eine Ostertafel, die mit dem Jahre 532 beginnend fünf Cyklen (die Jahre 532 - 626) bietet.[3] Da im Jahre 525, wo er sein Werk schrieb, vom letzten Cyklus des Gyrillus noch sechs Jahre übrig waren, so schickte er seiner Tafel noch diesen Cyklus voraus, so dass sie sechs Cyklen bietet. Dieses Paschale des Dionysius wurde die Grundlage der Chronologie für das ganze Mittelalter. Cassiodor (480 - 575) empfahl das Studium dieses Cyklus den Mönchen von Vivarium. Auch die letzterem fälschlich zugeschriebene Schrift "Computus paschalis" aus dem Jahre 562, eine genaue Anweisung, die Daten des christlichen Kalenders zu berechnen, ist ein Beweis, dass schon damals des Dionysius' Schriften viel und eifrig studiert wurden.


1 Victorins sagt in dem Prolog zu seinem Paschale (Mon. Germ. hist. Auct. antiqu. IX, S. 681): "Illud insinuare non distuli propter diversorum paschalium conditores, ubi in hoc eodem, cyclo dies paschae gemina designatione positus invenitur, id est ubi luna XV die dominica et post septem dies vicesima secunda conscribitur, non meo iudicio aliquid definitum, sed pro ecclesiarum pace apostolici pontificis electioni servatum, quatenus nec ego quod ad meum pertinebat officium praeterirem et in eius constitueretur arbitrio, qui universali ecciesiae praesideret, quaenam potissimum dies in tali condicione solennitati praecipue deputetur."
2 So schreibt Papst Vitalian (657 - 672): "Victoris regulam sedes apostolica non approbavit, ideo nec sequitur dispositionem eius pro pascha".
3 Irrig ist die Meinung, dass Dionysius eine Tafel für 532 Jahre (532 - 1063) verfasst habe.